„J’ai perdu mon Eurydice“ Christina Dimitriades

 

Gedanken zur Ausstellung in der Galerie der Schwartzschen Villa in Berlin-Steglitz.

 

 

 

 

 

 

Wenige große Fotografien, leicht körnig, hängen in weißen Rahmen an weißen Wänden. Sie zeigen Felsen von unbestimmbarer Größe vor einem schmalen Streifen weißlich-fahlen Himmels. Marmorsteinbrüche auf der Insel Fournoi sind es, die wir sehen: Gestein von bräunlicher und grauer, schwarzer und weißlicher Farbe. Sie wirken schmutzig und sind nicht vergleichbar mit dem strahlendweißen Stein berühmter Skulpturen, deren Schönheit wir in Museen bewundern. Die Orte sind „von Gott verlassen“ und menschenleer. Selbst die Pflanzen, die hier und dort am Stein zu sehen sind, scheinen verdorrt.

Ein weiteres, das einzig andere, Motiv zeigt Reste eines Amphitheater vor blassblauem Himmel. Von unbekannter Hand sind zahlreiche Steinplatten nebeneinander aufgereiht. Das Foto entstand auf Delos, einer winzigen im östlichen Mittelmeer gelegenen Insel. In der Antike war das Inselchen über Jahrhunderte hinweg insbesondere wegen seines Apollonheiligtums und des Sklavenmarktes als ein religiöses und wirtschaftliches Zentrum sehr reich. Wem käme da nicht die Fragen einer lesenden Arbeiterin in den Sinn: „Wer brach die Steine? Wer baute die Tempel?“ Delos war zugleich immer wieder ein Ort des Auf- und Niedergangs von Zivilisationen. Etwa seit der Etablierung des Christentums ist die Insel fast menschenleer – jedoch ist sie ein beliebtes Ziel für Touristen.

Orpheus gab sich gleich dem Gott Apollon der Tonkunst hin. Seine Musik soll selbst Steine in Bewegung versetzt haben. Der Sänger erhielt die Möglichkeit, seine über alles geliebte, jedoch tote Gemahlin Eurydike ins Leben zurückzuführen. Er verspielte diese einmalige Chance, weil er ein göttliches Gebot missachtete. Für diese Tat musste Orpheus sterben.

Für die Kuratorin waren die Bezüge der Fotografien zur aktuellen politischen Situation so augenfällig, dass sie während ihrer einführenden Rede am Abend der Ausstellungseröffnung in Tränen ausbrach.

Welches Gebot haben wir missachtet?

 

Ausstellung von Christina Dimitriades in der Galerie der Schwartzschen Villa, Grunewaldstraße 55, 12165 Berlin-Steglitz, Zeitraum: 10.4.-24.8.2025, Kuratorin: Christine Nippe, Ausstellungseröffnung: 09.04.25, 18 Uhr.

Fotos: Ute Pothmann