Mona Hatoum in Berlin

Der Neue Berliner Kunstverein (NBK) in der Chausseestraße bot am Sonntag, dem 18. September 2022 eine Bustour und Führung zu drei Berliner Ausstellungsstätten an, die „erstmalig in Deutschland“ das Werk der in Beirut geborenen und in London und Berlin lebenden Künstlerin „in einer großangelegten Überblicksausstellung“ präsentieren. Im NBK endet die Ausstellung großformatiger Installationen bereits im November 2022. Das Georg Kolbe Museum zeigt Arbeiten seit den 1980er Jahren, insbesondere in Videos festgehaltene Performances, bis Januar 2023. Im Maschinenhaus des KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst endet die Ausstellung erst im Mai 2023.

 

 

Lieblich, sauber, klinisch rein und schön anzusehen sind die aus unterschiedlichen Materialien hergestellten Arbeiten Hatoums. Erst auf den zweiten Blick merkt man die eigene Irritation, der Schrecken fährt einem in die Glieder und das Grauen macht sich breit im Gehirn. Tische, Stühle, Koffer und andere, harmlose Alltagsgegenstände sind von metallenen Absperrgittern eingegrenzt und künden von unsichere Existenz, Heimatlosigkeit, Flucht oder Vertreibung. Von Wand zu Wand gespannte metallene Drähte markieren eine Grenze zwischen uns und „den anderen“, die in einem illusionären Lager festgehalten werden. Und unscheinbare, aber zweckmäßige Haushaltsgeräte wie Siebe, Trichter, Reibeisen, geöffnete Scheren oder Schöpfkellen aus glänzendem Metall verwandeln sich mit Stromanschluss gar zu Folterwerkzeugen. Auf Stadtplänen von Kabul, Beirut und Bagdad in den zarten Farben gelb, rosa und hellblau versinnbildlichen kreisrunde, mit höchster Präzision gefräste konzentrische Kreise, Bombenkrater und verweisen auf Krieg und Zerstörung.

Menschendarstellungen fehlen völlig. Doch ist es dem Betrachtenden unmöglich, deren Anwesenheit nicht mitzudenken. Ihr Fehlen macht diese „Leerstelle“ umso deutlicher präsent, ob in privater, familiärer Situation der Behelfsunterkunft oder als gedachte Menschengruppen in Lagern.

Mit zarten, papierenen und weichen, textilen Materialien, aber auch mit Kunststoff und Metall widmet sich Hatoum in mehreren Arbeiten unter politischer und ökologischer Perspektive unserem Planeten. Die Erde, der Erdball, die Weltkugel, der kleine Planet unseres Sonnensystems, der einzige Planet, von dem wir wissen, das menschliches Leben, unser Leben, auf ihm möglich ist. Die Künstlerin zeigt seine Fragilität angesichts tektonischer (Kontinentalplatten) und klimatischer Phänomene (Überhitzung). Der eurozentrierten Darstellung der Kontinente, wie wir sie aus Atlanten mit unrichtigen Größenvorstellungen der Weltteile kennen, erteilt die Künstlerin eine Absage.

Den erschreckenden Inhalten ihrer Arbeiten entsprechen Hatoums Arbeitsmethoden: Ausbrennen, Fräsen oder auch ein Abpausen kleiner, spitzer Gegenstände, das fast perforiertes Papier hinterlässt, erzeugen Unsicherheit, Beklemmung, Spuren von Gewalt. Qual, Angst, Horror erleben wir auch im Keller des Kolbe Museums, wo die in Videos festgehaltenen Performances zu sehen sind, die vor gut 40 Jahren den Beginn des künstlerischen Schaffens von Mona Hatoum markieren.

 

Fotos

Mona Hatoum, Hot Spot III, 2009; Edelstahl und Neonröhren, Stainless steel and neon tube, 234 x 223 x 223 cm; © Mona Hatoum. Courtesy the artist and MdbK Leipzig, Foto / Photo: © dotgain.info

Mona Hatoum, 3-D Cities, 2008–2010
Gedruckte Karten und Holz, Dimensionen variabel; Printed maps and wood, dimensions variable; © Mona Hatoum, Courtesy Galerie Chantal Crousel, Paris, Foto / Photo: © Florian Kleinefenn

Mona Hatoum, Shift, 2012; Wolle, Wool; 1.2 x 150 x 260 cm
© Mona Hatoum. Courtesy Arter, Istanbul, Foto / Photo: © Murat Germen

Quellen: Flyer der beteiligten Institutionen „Mona Hatoum“; https://de.wikipedia.org/wiki/Mona_Hatoum (Abfrage 28.09.2022)